Informationsflut – Communications Overkill

Kommt Ihnen das bekannt vor? Sie rufen jemanden an und erreichen die Person nicht. Bei einem zweiten Anruf passiert dasselbe. Diesmal jedoch hinterlassen Sie eine Nachricht. Die Nachricht bleibt unbeantwortet (…!). Nun schreiben Sie eine Mail und warten auf Antwort. Aber es kommt keine. Eine WhatsApp-Message geht nicht: Er/Sie ist nicht dabei…

Der Effekt: Man macht sich langsam Sorgen. Verweigert sich Derjenige, Diejenige?

Oder kommt Ihnen das bekannt vor? Sie organisieren wie vereinbart ein Meeting mit anschliessenden Abendessen mit Datenauswahl via Doodle ­- und senden es den rund 10 Mitgliedern Ihrer Arbeitsgruppe. Was passiert? Die Hälfte meldet sich spontan an. Der Rest bleibt tagelang stumm. Sie schicken einen Reminder und warten ungeduldig, weil sich der erste Termin der Auswahldaten bedrohlich nähert und Sie gegenüber dem Restaurant (mit Konferenzraum) in der Pflicht stehen…

Aber alles der Reihe nach.

Pandemiebedingt leitete ich während rund zwei Jahren ein paar Dutzend Zoom-Meetings; sei dies mit Kandidaten, Kandidatinnen und auftraggebenden Firmen im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit oder als Vorsitzender eines Vereins. Daneben erfolgten einige Meetings via Skype, Microsoft Teams und vereinzelt mit Face-Time.

Warum erwähne ich das?

Weil gleichzeitig die Zahl der Anrufe signifikant zunahm und Kontakte via E-Mail, Signal, WhatsApp, Nachrichten (Apple) sowie Messenger (Facebook) – um nur die wichtigsten zu nennen – ebenfalls zahlreicher wurden. Dasselbe gilt auch für Zuschriften über die Nachrichten-Accounts von LinkedIn und Xing. Die Anzahl der Newsletter stieg ebenfalls massiv an. Und es ist kein Ende abzusehen.

Die zu bearbeitende Flut auf parallel rund 20 Kommunikationskanälen führt mittlerweile dazu, dass man an die Belastungsgrenze kommt.

imago images / Westend61

Noch nicht mitgerechnet bei dieser Flut an Kommunikation ist die langsam aber sicher voranschreitende Verlagerung der Aktivitäten ins Intranet.

Während bis vor nicht allzu langer Zeit – je nach Branche oder Vereinstätigkeit – Veranstaltungskalender in gedruckter Form verschickt wurden (bei Gemeindekalendern ist es teilweise auch heute noch so), erreichen die Mitglieder vermehrt Links per Mail mit Verweis auf die Webseite resp. aufs Intranet. Der unschätzbar grosse Vorteil immer in Echtzeit und ortsunabhängig auf dem Laufenden zu sein, wird jedoch getrübt durch die Tatsache, dass weniger IT-affine User mit den Anmeldeprozessen (Login mit Passwort und/oder mit Zwei-Faktor-Authentifizierung) überfordert sind. Das System «sichere Passwörter zu generieren und diese in einem digitalen Tresor abzuspeichern», besitzt längst nicht jeder und die empfohlene Vorgehensweise

  • Installation eines Passwort-Managers
  • Generierung eines sicheren Master-Kennworts
  • Einrichtung von Browser-Erweiterungen
  • Erstellung von Nutzer-Accounts
  • Optionale Installation einer mobilen App

hat schon so machen Anwender ins Schwitzen gebracht.

Fazit: Menschen verweigern sich zunehmend.

Während ich früher noch gemischte Gefühle gegenüber Menschen hegte, die sich weigerten, ein Handy zu benutzen und ich heute noch gelegentlich staune, wenn Bewerber und Bewerberinnen via Handy – auch ausserhalb der Büroöffnungzeiten – nicht erreichbar sind oder vereinzelte Freunde ihr Mobile nur selten auf sich tragen, muss ich meine Meinung langsam aber sicher revidieren. Ich stelle fest: Wer sich nicht vom Communications Overkill terrorisieren lassen will, hat recht. Ausnahme bleibt der Arbeitsplatz; wenn je nach Branche, eine hoher Grad an Erreichbarkeit Teil des wirtschaftlichen Erfolgs darstellt.

Hinzu kommt der «Corona-Effekt». Die Bereitschaft, Leistung zu zeigen und an zahllosen Anlässen und Sitzungen teilzunehmen, ist seither gesunken.

«Die Menschen haben realisiert, dass es noch etwas anderes gibt als Arbeit und permanente Erreichbarkeit». Zeit hat unterdessen mehr Wert, manchmal gar mehr als Geld1.

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1Quelle: Gerhard Fehr, Ökonom, Fachkräftemangel – was hilft? Blick online (9.7.22)

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