Eine sehr persönliche Hommage an einen Mann, der weit mehr war als ein Spitzenkoch – und dessen Freundschaft mein Leben geprägt hat.
Ein Fels in der Brandung einer schnelllebigen Zeit.
Jacky Donatz war kein Koch wie jeder andere. Er war eine Erscheinung. Ein Mann wie ein Berg – standfest, präsent, unverwechselbar. In einer Welt, in der Trends kommen und gehen wie Jahreszeiten, blieb er: ein Fels in der Brandung. Die Bilanz adelte ihn sogar als «Urgestein der Schweizer Spitzengastronomie». Wer ihm begegnete, spürte sofort: Hier steht nicht nur ein Koch hinter dem Herd – hier steht eine Persönlichkeit, ein Gastgeber, ein Original.
Wenn Jacky Donatz die Gäste im Restaurant Sonnenberg empfing, tat er das nicht mit steifer Förmlichkeit, sondern mit offenen Armen und einer Einladung, die direkt ins Herz ging. Er zeigte auf die beiden bequemen Fauteuils im Eingangsbereich, lächelte verschmitzt und sagte im breitesten Züridüütsch:
«Nimm Platz, chum obänabä und lass d’ärs guät gah.»
Diese wenigen Worte waren mehr als eine Begrüßung. Sie waren ein Versprechen.

Der Gastgeber mit Haltung, Humor und Hausmacht
Jacky war mehr als ein Küchenchef. Er war Gastgeber im ursprünglichsten, schönsten Sinn dieses Wortes. Einer, der nicht im Büro saß, sondern von Tisch zu Tisch ging, Hände schüttelte, Empfehlungen gab, ein Schwätzchen hielt – und jeden Gast das Gefühl spüren ließ: „Hier bist du nicht Kunde – hier bist du willkommen.“
Er gehörte zu jener fast ausgestorbenen Spezies: die grossen Wirte, die spürigen Gastgeber, die wissen, was ihre Gäste brauchen, noch bevor sie es selbst wissen.
Patriarchisch? Ja.
Charismatisch? Oh ja.
Vergesslich? Nie, wenn es um Menschen ging.
Legendär sein Spruch zu einer etwas langsamen Kellnerin aus Leipzig:
«Hopp, hopp! Wenn Leipzig so langsam spielen würde, wäre der Klub in der Bundesliga Letzter!»
Heute sagt man Servicefachfrau.
Damals sagte man Serviertochter.
Jacky sagte einfach, was er dachte – ohne Filter, aber mit Herz.

Kalbskotelett, Mezzelune & kulinarische Unvergänglichkeit
Es gibt Gerichte, die man isst und wieder vergisst.
Und es gibt Jackys Kalbskotelett.
Mit diesem Stück Fleisch – außen kross, innen saftig, auf den Punkt gegart – schrieb er Schweizer Gastronomiegeschichte. Dazu seine legendären Mezzelune, sein Siedfleisch, sein Kartoffelsalat… und ganz nebenbei: 15 Gault-Millau-Punkte.
Doch die Punkte waren nie sein Ziel.
Sein Ziel war: Geschmack. Ehrlichkeit. Handwerk.
Jacky kochte nicht für Foodies.
Er kochte für Menschen.
Für Freude. Für Genuss. Für Erinnerung.
Er war gleichzeitig Dirigent, Gastgeber und Showmaster.
Kurz gesagt: Er hat nicht nur gekocht – er hat inszeniert.

Der einzige FIFA-Koch der Welt – und stolzer Bündner
Sepp Blatter war nicht nur sein Chef.
Er war sein Freund.
Und Jacky Donatz war der erste und einzige offizielle FIFA-Koch der Welt.
Im Restaurant Sonnenberg hoch über Zürich kochte er für Funktionäre, Politiker, Weltstars – und alle, die guten Geschmack zu schätzen wussten:
Roger Federer. Cristiano Ronaldo. Rihanna. Bon Jovi. Alt-Bundesrat Ogi…
Diskretion war Gesetz.
Er sagte einmal:
«Wenn ich erfahre, dass Interna rausgehen, gibt’s die gelbe Karte. Und zweimal Gelb gibt Rot.»
Geboren wurde er 1951 in Samedan. Für ihn war das nicht einfach ein Ort, sondern der Nabel der Welt:
«Auf unserem Flugplatz landet und startet die Welt.»
Und er war stolz auf seine Herkunft. Sehr stolz. Legendär seine Frage:
«Was wäre das Zürcher Kunsthaus ohne Giacometti?
Was wäre die Schweizer Musik ohne Vico Torriani?
Und was würden die Schweizer essen, wenn wir Bergler nicht zu Kochlöffel und Pfanne greifen würden?»
Er kam als Jakob Andrea Donatz zur Welt.
Die Zürcher nannten ihn Jacky.
Und der Name blieb.
Die Küche als Boxring – und als Lebensschule
Für Jacky war Kochen kein Job. Es war Kampf. Leidenschaft. Berufung.
«In der Küche ist es wie im Boxring – man muss austeilen, aber auch einstecken können.»
Deshalb verlangte er Disziplin, Sauberkeit, Produktekenntnis, Leidenschaft, Hartnäckigkeit – und Kreativität.
«Es war entscheidend, dass ich meinen Horizont erweitert habe. So schön die Berge sind – sie können den Blick einschränken.»
Jacky war tief verwurzelt und weltoffen.
Ein Traditionalist mit neugierigem Geist.
Und genau das schmeckte man.

Abschied mit Wehmut – als das Feuer leiser wurde
Der Abschied vom Sonnenberg war ein Wendepunkt.
17 Jahre lang prägte er dort eine Ära.
Als er ging, spürte man: Eine Epoche ist zu Ende.
Dann starb seine Frau Regula.
Der wichtigste Mensch an seiner Seite.
Seitdem, so sagten viele, war etwas anders.
Seine Lebensfreude war noch da – aber manchmal nur als Echo.
Hinter seinem Lächeln lag Traurigkeit. Wehmut. Vergänglichkeit.
Am Ostermontag 2022 ging Jacky.
Seine Urne wurde in Samedan beigesetzt – neben Regula.

Die Legenden verneigen sich – ein Abschied wie aus einem Film
Das Fraumünster in Zürich war bis auf den letzten Platz gefüllt.
Die größten Namen der Schweizer Gastronomie waren da – nicht als Stars, sondern als Freunde.
Sepp Blatter sprach nicht zum Publikum, sondern zu Jacky:
«Warum hast du dich jetzt schon verabschiedet?»
Und dann:
«Die Lücke, die du hinterlässt, kann niemand schliessen.
Wir verneigen uns vor deinem Lebenswerk.»
Draußen auf dem Münsterhof:
Ein Zelt. Festbänke.
Kalbskotelett. Kartoffelsalat. Haute Faugères.
Die Größten kochten für den Größten:
Irma Dütsch. Anton Mosimann. Heiko Nieder. Heinz Witschi. Rico Zandonella. Eric Hämmerli. Antonio Colaianni. Viele mehr.
«Ich bin wegen Jacky gekommen.»
«Alle haben Jacky geliebt.»
Meine Begegnung mit Jacky – vom staunenden Gast zum Freund
Gegen Ende der 1990er Jahre führte mich eine Empfehlung in die Stapferstube in Zürich. Ich erwartete ein gutes Essen – und wurde überwältigt. Die Qualität war sensationell. Vor allem das Kalbskotelett.
Damals kannte ich Jacky kaum. Doch wir kamen ins Gespräch – nicht über Sterne, sondern über unser Handwerk.
Wir waren beide gelernte Köche, beide aus der Gastronomie, beide Gastgeber im Herzen. Das verband uns sofort.
Als er später den Sonnenberg übernahm und zur Legende wurde, blieb unsere Beziehung bestehen – und wuchs. Wir wurden Freunde unter Gleichgesinnten.
Es gab Momente, in denen es mir nicht gut ging. Dann fuhr ich zu ihm hinauf, aß etwas, sprach mit ihm – und ging glücklicher wieder hinaus, als ich gekommen war.
Jacky kochte nicht nur für den Magen.
Er kochte für die Seele.

Was von Jacky bleibt – mehr als nur Rezepte
Was bleibt von einem Koch, wenn der letzte Teller serviert ist?
Bei vielen: ein Rezept.
Bei wenigen: ein Stil.
Bei ganz wenigen: eine Haltung.
Bei Jacky bleibt eine Ära.
Er war:
- streng, aber nie ungerecht
- laut, aber nie respektlos
- direkt, aber immer mit Herz
- Gastgeber, nicht Dienstleister
- Traditionalist mit Mut zur Veränderung
- Bündner mit Weltblick
- Einfach: echt
Sein Erbe lebt weiter in Köchen, Gastgebern, Gästen – und in jedem, der je bei ihm am Tisch saß.
Der Himmel hat jetzt einen Küchenchef
Jacky Donatz hat gekocht, als ginge es um mehr als Essen.
Und das tat es auch.
Er kochte für Lebensfreude.
Für Begegnung.
Für unvergessliche Momente.
Für Menschen.
Er hinterließ eine Lücke – in der Gastronomie, in Zürich, in Samedan, in unseren Herzen.
Doch Legenden sterben nie.
Solange irgendwo ein Koch mit Leidenschaft ans Werk geht,
solange ein Gastgeber mit offenen Armen empfängt,
solange ein Kalbskotelett jemanden glücklich macht,
solange jemand sagt:
«Chum obänabä und lass d’ärs guät gah.»
…solange ist Jacky da.
Vielleicht steht er jetzt in der Himmelsküche, bestellt einen Espresso, schaut sich um und sagt:
«So, lüt, jetzt luegemer mal, wer da oben eigentlich kocht.»
Und dann übernimmt er.
Wie immer.
Der Himmel hat jetzt einen Küchenchef.
Und wir hier unten haben eine Legende.
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Lieber Ansgar, ich möchte einfach noch sagen, auf dem Münsterhof gekocht haben ich, René Widmer, meine Söhne Samuel und Simon und der Maik von Péclard hat noch den Kartoffelsalat gemacht. Der Anton hat geholfen zu tranchieren und die Irma Dütsch ist vor allem im Weg gestanden!Und der Michel Péclard und Team haben eonen Riesen Effort betrieben für das Zelt! Das sind die Fakten!
Lieber René, herzlichen Dank für deine wertvollen Ergänzungen!
Es freut mich sehr, dass du deine Erfahrungen hier direkt teilst – so profitieren alle Leser von den Fakten aus erster Hand. Großartig, was ihr damals gemeinsam geleistet habt!
Herzliche Grüße,
Ansgar