Ich habe schon immer meine Zweifel an diesen sogenannten Intelligenztests gehabt, die einem auf zahllosen Websites entgegenblinken. Drei Quadrate, zwei Rechtecke, ein paar Strichlein â und dann soll man das âfehlende Elementâ erraten. đ§© Das Ganze wird dann von Aufgabe zu Aufgabe komplizierter, bis man irgendwann glaubt, man sei zu dumm, um das Prinzip zu verstehen. đ€Ż
Aber was misst so etwas eigentlich? Etwa das, was man wirklich unter Intelligenz versteht? Also dieses feine Zusammenspiel aus Sprache, Empathie, Lebenserfahrung, Witz und gesundem Menschenverstand? Ich wage zu zweifeln.
đ§ Mein Abenteuer mit dem kantonalen IQ-Test
Vor vielen Jahren â ich war um die 27, vielleicht 30 â schickte mich meine Ărztin zum Kanton ZĂŒrich.
Ich war damals in der Gastronomie tĂ€tig, hatte aber gesundheitlich einiges am Hals: Reflux, Zwölffingerdarmgeschichten, kurzum â mein Inneres befand sich in einem Ausnahmezustand. Sie meinte, ein Intelligenztest könne helfen, herauszufinden, welcher Beruf kĂŒnftig besser zu mir passe.
Also sass ich eines Tages einem Psychologen gegenĂŒber, der â wie man mir versicherte â keine Ahnung hatte, was ich beruflich mache. Das fand ich damals sogar fair. Dann begann der Test. Ich rechnete, kombinierte, zeichnete Kreise, Striche und KĂ€stchen â Wortspiele â brav, wie man das eben macht. Am Ende blickte der Psychologe etwas ratlos auf meine Unterlagen, seufzte, lĂ€chelte leicht und sagte den legendĂ€ren Satz:
âIch habe eine gute und eine schlechte Nachricht fĂŒr Sie.â
Die gute: âSie haben praktisch alle Rechenaufgaben richtig.â
Die schlechte: âIch habe keine Ahnung, wie Sie zu den Resultaten gekommen sind. Ihre rechnerische Intelligenz ist so bescheiden, dass Sie nicht einmal die LokfĂŒhrerprĂŒfung im Kanton ZĂŒrich bestehen wĂŒrden.â đ
DafĂŒr, so sagte er, sei meine sprachliche Intelligenz auf ĂŒberdurchschnittlichem Niveau, und er wĂŒrde mir empfehlen, in die Gastronomie zu gehen.
Ich erinnere mich noch, wie ich dachte: Na bravo! Der Mensch schickt mich dorthin zurĂŒck, wo ich gerade herkomme.đ
đ Die Sprache als SchlĂŒssel
RĂŒckblickend hatte er dennoch recht â auf seine Weise.
Als international tĂ€tig gewesener Hotelier spreche ich mehrere Sprachen fliessend, und wennâs sein muss, mit lokalem Einschlag: Neapolitanisch in Neapel, Cockney in London, Französisch mit Akzent Romand â und Schweizerdeutsch so, dass man mich fĂŒr einen Einheimischen hĂ€lt.đšđ
Sprachen habe ich â von einigen Semestern Englisch und Französisch an der Volkshochschule in Hagen (NRW) einmal abgesehen â nie wirklich gelernt. Ich habe sie mir, wie man so schön sagt, erschlossen. Nicht aus BĂŒchern, sondern durch Leben und Arbeiten im jeweiligen Sprachgebiet und ausgeprĂ€gter Kontaktfreudigkeit.
Und genau da liegt vielleicht der Kern: Intelligenz ist mehr als Mustererkennung.
Sie ist die FĂ€higkeit, Menschen zu verstehen, Situationen zu lesen, Zwischentöne wahrzunehmen â und dabei nicht zu vergessen, ĂŒber sich selbst zu lachen. đ

đ Warum die meisten Online-Tests so einseitig sind
- Einfach auszuwerten: Multiple-Choice, objektiv, kein Gutachter nötig.
- Keine Sprache nötig: Damit âkulturunabhĂ€ngigâ â was aber in Wahrheit nur scheinbar stimmt.
- Algorithmisch skalierbar: Ideal fĂŒr Schnelltests, Werbung und Datensammlung.
Diese Bequemlichkeit hat ihren Preis: Die meisten Tests messen nur einen winzigen Teil dessen, was Intelligenz wirklich ausmacht â nĂ€mlich die fluide Intelligenz, also reines logisches Denken. Emotionale, kreative oder sprachliche FĂ€higkeiten bleiben auĂen vor. Von emotionaler Intelligenz ganz zu schweigen.
đ§ Breiter abgestĂŒtzte Intelligenztests (seriös & mehrdimensional)
Hier einige Beispiele, die nicht nur geometrisches Denken abfragen, sondern verschiedene Intelligenzformen berĂŒcksichtigen:
1.
Wechsler Adult Intelligence Scale (WAIS-IV oder WAIS-V)
- Der international am hĂ€ufigsten anerkannte Intelligenztest fĂŒr Erwachsene.
- Misst vier Hauptbereiche: âą SprachverstĂ€ndnis (Allgemeinwissen, BegriffsverstĂ€ndnis, WortflĂŒssigkeit) âą Wahrnehmungsgebundenes logisches Denken (u. a. Mustererkennung, aber nicht nur) âą ArbeitsgedĂ€chtnis (Zahlen-, Buchstabenreihen merken und ordnen) âą Verarbeitungsgeschwindigkeit (Reaktionszeit, Aufmerksamkeit)
- DurchfĂŒhrung: Nur mit Psycholgin/Psychologe möglich (nicht gratis, aber wissenschaftlich seriös).
- Vorteil: Umfassend, berĂŒcksichtigt auch sprachlich-kulturelle Aspekte.
2.
Cattell Culture Fair Intelligence Test (CFIT)
- Entwickelt, um âkulturfairerâ zu sein als z. B. Wechsler oder Binet.
- Misst fluide Intelligenz plus Elemente der AnpassungsfÀhigkeit und Problemlösung.
- EnthÀlt visuelle und logische Aufgaben, aber in breiterer Variation.
3.
Berlin Intelligence Structure Test (BIS-Test)
- Spannender Ansatz aus Deutschland. đ©đȘ
- Geht von einem mehrdimensionalen Intelligenzmodell aus: ⹠Bearbeitungsgeschwindigkeit ⹠GedÀchtnis⹠KreativitÀt ⹠VerarbeitungskapazitÀt
- Eignet sich gut fĂŒr akademische Vergleiche oder Personaldiagnostik.
4.
Multifactor Emotional Intelligence Scale (MEIS) oder MSCEIT
- Misst gezielt emotionale Intelligenz đŹ âą Erkennen von Emotionen (Gesichter, Bilder, Musik) âą Umgang mit Emotionen (bei sich und anderen) âą Förderung von Denken durch Emotionen
- Entwickelt von Mayer, Salovey & Caruso.
- Ideal, wenn man â wie ich â das Menschliche im IQ mitbedenken will.
5.
âCombined Intelligence Testâ (z. B. ĂŒber 123test.com oder Queendom.com)
- Diese Plattformen bieten breitere Online-Tests, die sprachliches, numerisches, logisches und rÀumliches Denken mischen.
- Keine klinischen Verfahren, aber vielseitiger als die reinen Figurentests.
- Beispiele: đ https://www.123test.com/iq-test/ đ https://www.queendom.com/tests/access_page/index.htm?idRegTest=1121
đŹ Fazit
Wenn man wirklich wissen will, wie breit die eigene Intelligenz aufgestellt ist, braucht man mehrere Dimensionen:
âą Analytisch-logisch (wie in den Standard-IQ-Tests)
âą Sprachlich-kulturell (Wortschatz, Wissen, Ausdruck)
âą Kreativ-assoziativ (IdeenverknĂŒpfung, Perspektivwechsel)
âą Emotional-sozial (Empathie, emotionale Steuerung)
Nur die Kombination dieser Bereiche ergibt ein realistisches Bild eines intelligenten, reflektierten Menschen â und da wĂŒrde ich sagen: Die Figur mit den KĂ€stchen darf sich gern mal eine Pause gönnen. đ
Denn ein hoher IQ ist schön â
aber ein kluger Mensch ist besser. âš