Von Currywurst bis Filet de bœuf Rossini: Wann Gastronomie ihren Preis wert ist

Es gibt Lokale, in denen man satt wird. Und es gibt jene, in denen man sich erinnert, wie gut sich Gastfreundschaft anfühlen kann. Zwischen Currywurst auf der Sommerterrasse, einem Teller Pasta in der Quartierbeiz und einem Filet de bœuf Rossini im Gourmetlokal zieht sich ein roter Faden durch die Welt des Genusses – unabhängig von Preisen, Sternen oder Stilrichtung:

Charme schlägt Chichi.

Herz schlägt Hype.

Und Persönlichkeit schlägt Perfektion.

Denn Hand aufs Herz: Niemand kehrt wegen einer schäumenden Erbsen-Essenz zurück, die aussieht wie ein wissenschaftliches Experiment. Aber wegen eines ehrlichen Lächelns, eines stimmigen Gerichts oder eines besonderen Moments? Sehr wohl.

Gute Gastronomie entsteht nicht, weil ein Lokal das teuerste Fleisch einkauft, den angesagtesten Food-Trend kopiert oder seine Teller in Kunstobjekte verwandelt. Gute Gastronomie entsteht dort, wo Gastgeber zuhören, wo Küchen Persönlichkeit zeigen – und wo man spürt: Hier geht es darum, Freude zu schenken, nicht Eindruck zu schinden.



💬 Warum sprechen wir gerade jetzt über Preise?

Die Schweiz war nie ein Billigland – weder beim Essen noch beim Lächeln. Doch in den letzten zwei, drei Jahren hat sich die Preiswahrnehmung der Gäste spürbar verändert.

Es ist nicht so, dass Menschen heute weniger auswärts essen wollen.

Sie tun es nur bewusster.

Der Gast von heute fragt sich immer seltener:

«Kann ich mir das leisten?»

sondern immer öfter:

«Ist es mir das wert?»

Und genau hier beginnt der neue Erwartungsrahmen in der Deutschschweizer Gastronomie.

Denn es ist nicht der Preis, der weh tut.

Es ist der fehlende Wert.


© Gastronomy-World-Gastro-Marktplatz

📍 Der neue Erwartungsrahmen

Gäste sind heute erstaunlich tolerant – wenn die Leistung stimmt.

Doch sie reagieren sensibler auf Gerichte, die in keinem Verhältnis zum Erlebnis stehen.

Um ein Gefühl zu geben, wo sich heute „fair“, „an der Schmerzgrenze“ und „nicht mehr glaubwürdig“ bewegen, hier einige Orientierungspunkte (ohne Anspruch auf Mathematik – aber nah an der Realität vieler Gäste):

Beispielhafte Preiswahrnehmung in der Deutschschweiz

Einfache Alltagsgerichte (Beiz, Brasserie, Quartierlokal)

  • Pasta mit guter Qualität: 21.– bis 24.– fair
  • Ab 26.–: braucht spürbaren Mehrwert (Produkt, Handmade, Story)
  • Ab 28.–: kippt schnell, ausser klar kommuniziert (Hausrezept, lokale Produkte)

Bistro & Brasserie-Klassiker

  • Schnitzel mit Beilage: 26.– bis 32.– fair
  • Ab 34.–: Gast erwartet Niveau und Erlebnis
  • Ab 36.–: muss „wow“ sein – sonst wirkt’s wie „weil wir’s können“

Simple Trendgerichte (Bowl, Burger, Veggie)

  • 18.– bis 23.– fair
  • Ab 25.–: braucht Signature-Qualität, nicht Copy-Paste
  • Ab 27.–: nur akzeptiert, wenn herausragend

Traditionelle Schweizer Spezialitäten

  • Rösti, Älplermagronen, Schweins-Cordon bleu: 24.– bis 29.– fair
  • Ab 31.–: rechtfertigen durch Handwerk, Produkte & Herz
  • Ab 34.–: nur tragbar, wenn „legendär gut“

Diese Zahlen sollen nicht dogmatisch sein – sie dienen als Orientierung, wie viele Gäste gefühlt einordnen, ob ein Preis passt.

Denn Preis ist nicht nur Mathematik.

Preis ist Psychologie.


© 2024 Luxury Leisure Affluence

🧠 Die Psychologie hinter Preis & Wert

Zwei Rätsel, die Gastgeber zum Lächeln – oder Schlucken – bringen:

1. Warum wehtun 27.– manchmal mehr als 29.–?

Weil 27.– in unseren Köpfen ein „Alltagsgericht“ signalisiert – und dort 27.– teuer wirkt.

29.– hingegen klingt nach „besserem Erlebnis“ – und wird oft als gerechtfertigt empfunden.

2. Warum wirken 24.– sympathisch – 26.– aber „frech“?

Weil 24.– noch im „impulse purchase“-Bereich liegt.

Bei 26.– beginnt das mentale Vergleichen – und damit das Risiko.

Und deshalb gilt heute mehr denn je:

Gäste akzeptieren höhere Preise – solange sie den Wert fühlen, bevor sie die Rechnung sehen.


📈 Was macht Wert spürbar?

Drei charmant-ehrliche Mechanismen, die Preisgefühle drehen können:

• Persönlichkeit

Eine kurze Story zur Herkunft eines Produkts wirkt stärker als ein Preisaufkleber.

• Persönlichkeit

Ein kurzer Blickkontakt, ein warmes Wort – und 2 Franken werden irrelevant.

• Persönlichkeit

Ja, dreimal Persönlichkeit: Weil genau sie entscheidet, ob Gäste über Preise reden – oder über Genuss.



🌟 Wie man Preise erhöht, ohne Gäste zu verlieren

Preise müssen steigen. Punkt.

Löhne, Energie, Rohwaren – alles wurde teurer. Jammern füllt keine Tische.

Die Kunst besteht darin, dass der Gast beim Blick in die Karte nicht denkt:

«Aha, noch teurer…»

sondern:

«Da steckt mehr drin – passt für mich.»

Drei charmant-ehrliche Erfolgsrezepte, die Wirkung zeigen – ohne „Marketing-Sprech“:

1. Kleine Schritte, grosser Effekt

Statt einmal +3.– lieber ein paar kleine Anpassungen – mit sichtbaren Mini-Upgrades.

Ein frisch gebackenes Brot, hausgemachte Mayo oder ein kleiner Gruss aus der Küche wirken Wunder.

2. Wert zuerst, Preis danach

Ein einziger Satz wie «Kartoffeln vom Hof im Nachbardorf» wirkt stärker als jeder Franken.

Regionalität und Handschrift sind die eleganteste Preiserklärung – ganz ohne Erklärung.

3. Kein Möchtegern-Glamour

Lieber ehrlich und gut als künstlich „Premium“.

Wer plötzlich Fine Dining imitiert, ohne Seele und ohne Konsistenz, verliert schneller Gäste als ein Sorbet im Sommer schmilzt.


🧂 5 Mini-Fallstudien aus der Schweiz

1. Die Quartierbeiz, die plötzlich „höherpreisig“ wurde

Neuer Besitzer, neue Karte, höhere Preise – aber ohne sichtbaren Mehrwert. Stammgäste wanderten ab. Lektion: Preise anheben, ohne Herz und Handschrift mitzunehmen, ist wie ein neues Hemd über ein altes Problem – niemand kauft es ab.

2. Die Brasserie, die vor der Erhöhung investierte

Erst Tellerbild verfeinert, Brot & Butter aufgewertet, Service geschult – dann Preise leicht erhöht. Gäste: «Ist teurer geworden, aber es ist auch besser geworden.» Lektion: Wertsteigerung zuerst, Preis danach.

3. Der Landgasthof mit der „Signature-Wurst“

Statt Industrieware: eigene Rezeptur, eigener Name, eigene Sauce. Preis nahezu gleich – Begeisterung doppelt so hoch. Lektion: Ein Gericht mit Identität schlägt jedes Copy-Paste-Menü.

4. Das Trendlokal, das nur „Instagram“ servierte

Deko top, Story laut, Preise ambitioniert – Service kühl, Essen austauschbar. Nach einem Jahr: halbleere Tische. Lektion: Hype bleibt draussen – Herz bleibt.

5. Das Gourmetlokal, das wieder „menschlich“ wurde

Weniger Technik, mehr Persönlichkeit. Mehr Gastgeber, weniger Inszenierung. Gäste spürten plötzlich wieder Wärme – und zahlten mit Freude. Lektion: Luxus ohne Haltung ist laut. Luxus mit Herz ist leise – und bleibt.


✨ Am Ende geht es nicht nur um Essen – es geht um Haltung

Gastronomie, die berührt, muss nicht perfekt sein.

Sie muss echt sein.

Wer heute bestehen will – von der Beiz bis zur Genussbühne – braucht nicht mehr „Wow“.

Man braucht mehr Wärme, mehr Persönlichkeit und mehr Gründe, warum Gäste gerne wiederkommen.

Denn am Ende erinnert man sich nicht an die Rechnung.

Man erinnert sich an das Gefühl am Tisch.

Und vielleicht ist das der grösste Unterschied zwischen einer 25-Franken-Currywurst, die weh tut –

und einem 62-Franken-Rossini, der glücklich macht.


Über den Autor

Ansgar Schäfer ist Hotelier, Gastgeber, Genussmensch – und bekennender Freund der ehrlichen Küche. Nach einer langen Karriere in der internationalen Hotellerie, im Tourismus und im HRM schreibt er heute über das, was bleibt: Menschen mit Haltung, Orte mit Seele und Genuss mit Stil. Ob auf Reisen, am Herd oder im Gespräch – bei ihm geht’s nie nur um Essen, sondern immer auch um die Geschichte dahinter.


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