Friedrich Merz und das absurde Missverständnis über Macht, Mandat und Management

Ob man Friedrich Merz mag oder nicht – spätestens seit seiner Wahl zum Bundeskanzler ist er als „Chief in Command“ endgültig im Sattel. Doch schon im Vorfeld seiner Wahl tobte in Medien und Kommentarspalten eine auffallend polemische Diskussion, in der Merz wahlweise als neoliberaler Eisklotz, als Lobbyist der Finanzwelt oder als gestriger Reaktionär abgestempelt wurde. Es schien fast, als wolle man weniger seine Person beurteilen, als vielmehr ein Symbol zerschlagen.„Merz, ein Lobbyist? Wohl kaum – eher ein absurdes Missverständnis über Macht, Mandat und Management.“


🪑 Einstieg mit einem Augenzwinkern

In der Schweiz nennt man so jemanden Verwaltungsrat mit Format. In Deutschland aber wird er gerne mal als Lobbyist verkannt, als hätte er mit Aktentasche und Kugelschreiber vor Bundestürschwellen gekauert, um für ein paar Leberkäs-Semmeln politischen Einfluss zu ergattern.

Die Rede ist von Friedrich Merz, dem Mann, der offenbar zu erfolgreich war, um in Boulevardblättern differenziert beurteilt zu werden.

Da liest man aktuell von 21 Bundestagsabgeordneten, die nach ihrem Abschied nun bei Firmen als Lobbyisten einchecken – meist diskret, stets beratend, oft strategisch-unauffällig. Klassischer Fall von „Ich kenne da jemanden im Ministerium…“

Und dann fällt im gleichen Atemzug der Name Merz. Aber halt – was bitte hat Friedrich Merz mit diesen 21 Seitenwechslern gemein? Gar nichts.



📋 Ein Blick ins Merz’sche Portfolio

Friedrich Merz war nach seinem temporären Abschied aus der Politik nicht etwa Flurflüsterer oder Türklopfer – sondern Top-Level-Entscheider. Hier ein kleiner Auszug aus seinem beachtlichen Wirtschafts-Werdegang:

  • Vorsitzender des Aufsichtsrats von BlackRock Deutschland
  • Aufsichtsrat der Deutschen Börse AG
  • Beirat der AXA Konzern AG
  • Mitglied im Aufsichtsrat von BASF, WEPA-Gruppe, HSBC Trinkaus & Burkhardt
  • Mehrere Jahre Verwaltungsrat und Aktionär bei Stadler Rail (Schweiz)

Das sind keine Nebenjobs – das ist Wirtschaft in Reinform, mit Verantwortung für Milliarden und mit einer Perspektive, die man sich nicht mit Vitamin B, sondern mit strategischem Denken und politischem Instinkt erarbeitet. Mit Verlaub: Das ist kein Karriereweg im Vorzimmer der Macht. Das ist die Macht, in strategischer, betriebswirtschaftlicher und kapitalmarktnaher Vollendung. Ja, er hatte beste Kontakte zur Wirtschaft – und war Teil davon. Ja, er ist für viele ein Symbol für wirtschaftsfreundliche Politik. Aber: Er war Führungskraft, nicht Erfüllungsgehilfe. Er wurde nicht bezahlt, um andere zu beeinflussen, sondern um zu entscheiden.


🔍 Was macht denn ein Lobbyist?

  • Er streut Argumente.
  • Er flötet sich durch Gesetzesentwürfe.
  • Er telefoniert sich den Gehörgang wund, um Türen zu öffnen, die andere schließen.

Friedrich Merz hingegen?

Er saß längst auf der anderen Seite des Tisches.
Er war Teil jener Gremien, die Lobbyisten oft vergeblich zu beeinflussen versuchen.



🇨🇭 Aus Schweizer Sicht

Wenn jemand wie Merz in der Schweiz in ein Unternehmen wie Stadler Rail berufen wurde – und das war er tatsächlich – dann hieß es in der NZZ oder Handelszeitung:

„Er bringt strategische Weitsicht, regulatorisches Know-how, Kommunikations- und Führungsqualitäten sowie internationale Vernetzung – ein Gewinn für das Unternehmen.“

In Deutschland heißt es im Boulevard dann lapidar: „Na, da lobbyiert er wieder rum.“


🧠 Fazit – Lobbyismus ist nicht gleich Führung

Man kann Friedrich Merz politisch ablehnen. Man kann seine Rückkehr in die Politik nach so vielen Jahren in der Wirtschaft kritisch sehen.

Aber ihn als Lobbyisten zu bezeichnen, ist entweder ein Ausdruck von Unkenntnis – oder von gezielter Verdrehung. Ja, er hatte beste Kontakte zur Wirtschaft – und war Teil davon. Ja, er ist für viele ein Symbol für wirtschaftsfreundliche Politik. Aber: Er war Führungskraft, nicht Erfüllungsgehilfe. Er wurde nicht bezahlt, um andere zu beeinflussen, sondern um zu entscheiden.

Denn:

👉 Der typische Lobbyist flüstert – Merz hat dirigiert.
👉 Der Lobbyist will Einfluss nehmen – Merz hat ihn ausgeübt.
👉 Der Lobbyist spricht Empfehlungen aus – Merz unterschrieb Strategien.

Er ist kein Türöffner – sondern einer, der die Türen längst selbst gebaut hat.



 „Lobbyist? Nein danke – ich war Vorstand.“
Warum Friedrich Merz nicht in die Lobbyisten-Schublade gehört

Es ist schon ein bisschen wie im Kindergarten der Polit-Kommentare: Kaum taucht irgendwo das Wort Wirtschaft auf, greift jemand zum Stempel Lobbyist und haut ihn mit maximaler Entrüstung auf jeden, der mal in der Nähe eines Vorstandsbüros gesessen hat. Im Fall Friedrich Merz wird daraus gleich ein ganzer Zirkus.

Da war doch dieser Mann – der tatsächlich Wirtschaft nicht nur aus Talkshows kennt. Der nicht Lobbyarbeit machte, sondern verantwortete, was Lobbyisten sonst oft nur anregen dürfen. Der nicht Kaffee bei Abgeordneten trank, sondern Entscheidungen traf, die andere nur analysieren. Und trotzdem wird er in so manchem Artikel lieber in eine Reihe mit jenen 21 Ex-Abgeordneten gestellt, die nach dem Motto „Tür auf, Lobby rein“ direkt von der Regierungsbank in die Berateretage wechselten.

Doch Moment mal: Führung ist nicht Lobbyismus.

Und ein Aufsichtsratsvorsitz bei einem Milliardenkonzern ist auch nicht das Gleiche wie ein Besuch im Hinterzimmer des Wirtschaftsausschusses mit PowerPoint und Visitenkarte.

Natürlich, Friedrich Merz hatte Kontakte. Netzwerke. Einfluss. Aber er saß nicht vor der Tür der Macht – er war drin. Und zwar nicht, um Politik mit Flüstertaktik zu umgarnen, sondern um Unternehmen mit harter Hand durch globale Märkte zu steuern. BlackRock ist nicht der örtliche Kaninchenzüchterverband. Und ein Sitz im Aufsichtsrat der Deutschen Börse fällt einem auch nicht zu, weil man nett lobbyieren kann.

Wer hier also Lobbyist ruft, weil es gerade so schön knallt, der wirft absichtlich alles in einen Topf: den Interessenvertreter, den Berater, den Manager, den Strippenzieher und den Entscheider. Hauptsache irgendwas mit „Wirtschaft“ und „Macht“.


Hinweis zum Verfasser dieses Artikels:

Ansgar Schäfer wurde 1950 in Hagen (Nordrhein-Westfalen) geboren. Nach dem Abschluss seiner Berufsausbildung besuchte er 1968/69 die Hotelfachschule Zürich (HFZ). Seitdem lebt er in der Schweiz und ist heute auch Schweizer Staatsbürger.

Seine berufliche Laufbahn begann mit jeweils 13 Jahren internationaler Erfahrung als Hoteldirektor sowie als Tourismusmanager. Von 1990 bis 1995 leitete er als Geschäftsführer eine Personalberatungsfirma mit mehreren Standorten. Anschließend war er von 1996 bis 2023 als selbstständiger Unternehmer und Inhaber der SCHAEFER & PARTNER, Personal Management GmbH Zürich tätig. Weitere Informationen finden Sie im verlinkten Porträt.


Bild 1: Friedrich Merz in Kanada © Teresa Suarez/EPABild 2: Germany’s Chancellor Friedrich Merz (L) speaks with US President Donald Trump before the start of the North Atlantic Council plenary meeting at the North Atlantic Treaty Organisation (NATO) summit in The Hague on June 25, 2025. (Photo by Ludovic MARIN / POOL / AFP) via Getty Images)

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