Die Wiederentdeckung der Muße

pouring wine by the fireplace

PAUSEN DES GEISTES Die Wiederentdeckung der Muße.

Mit diesem Titel ist es Ulrich Schnabel – ZEIT ONLINE – vorbildlich gelungen, die «Zeichen der Zeit» in Worte zu fassen. «Nichtstun ist wertvoll.» führt er aus. Doch wir haben es verlernt, weil wir nicht mehr aus dem immer schnelleren Alltag ausbrechen wollen oder können. Ulrich Schnabel hat das richtig erkannt. Dass die Grenzen zwischen Job und Privatleben zunehmend verschwimmen – dank Smartphones und mobilem Internet – dürften die meisten schon am eigenen Leib gespürt haben. Um genau zu sein: 88% Prozent der Berufstätigen sind auch außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit für Kunden, Kollegen oder Vorgesetzte per Internet oder Handy erreichbar, so das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage der Bitkom  (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V.). Zum Vergleich: Vor zwei Jahren waren es erst gut 70 Prozent. Für rund ein Drittel der Arbeitnehmer (29%) nimmt das sogar bereits extreme bis ungesunde Formen an: Sie sind jederzeit für berufliche Zwecke telefonisch oder per E-Mail erreichbar oder müssen es gar sein (und das betrifft jetzt nicht nur Ärzte im Bereitschaftsdienst, wo es ja durchaus Sinn macht). Weitere 45 Prozent der Beschäftigten sind zumindest nur zu bestimmten Zeiten außerhalb der Arbeitszeit online – etwa abends oder am Wochenende. 15 Prozent geben an, dass sie nur in Ausnahmefällen erreichbar sind. Was das zu bedeuten hat lässt sich unschwer erkennen. Die Zeit der Muße, die Zeit für ein ausführliches persönliches Gespräch geht verloren, ja selbst die Bereitschaft sich Zeit für ein entspanntes Gespräch unter Freunden, unter Gleichgesinnten zu nehmen ist weitgehend abhanden gekommen. Wenn ich von Zeit zu Zeit mit einem guten Freund zum Mittagessen gehe, wir uns für ein paar Stunden vom Alltag ausklinken bis uns die (alten) Pflichten wieder rufen, dann sind das Momente der Entspannung. Momente des wirklich auf einander Eingehens, des Zuhörens, ein Stück weit Muße; Augenblicke harmonischen Zusammenseins und des sich Verstehens in einer hektisch gewordenen Welt.

Zeitdruck und Stress ist allgegenwärtig.

Viele tun schon das Richtige. Aber offensichtlich reicht das nicht in der heutigen Gesellschaft. Wir haben einen Zustand erreicht, in dem der Einzelne versucht, seine Zeit zu optimieren. Aber es sind kollektive Vorgaben da, die den optimalen Zustand gar nicht ermöglichen. Wir wissen heute, dass die obersten Kader internationaler Firmen unter permanentem Zeitdruck stehen wegen der Dynamik der Märkte und der Unmittelbarkeit der Kommunikationsmittel, der Zwang zur Pflege persönlicher Beziehungen zwecks Aufbaus von Vertrauen in dezentralen Organisationen und die Auflösung der Grenzen zwischen privatem und beruflichem Leben. Wo müssen wir ansetzen? Patentlösungen gibt‘s nicht. Wissen wir. Was sich jedoch festhalten lässt, sind Erkenntnisse aus empirischen Studien: Mentaltraining und Meditieren steigern das Wohlbefinden, fördern die Kreativität und verbessern die Leistungskraft. Auch ein kurzes Nickerchen von wenigen Minuten – ein Power Nap – hat einen effektiven Erholungseffekt. Wellness-/Wellbeeing sind weitere Aspekte. Wir brauchen schöpferische Pausen, um uns auf sich selbst zu besinnen und wirklich neue Ideen zu entwickeln. Leistungsfähigkeit lässt sich auch gut durch Sport aufrecht erhalten. Fazit: Jene Entscheidungen treffen, die die Energiebilanz von Körper und Seele sichern und die Balance zwischen unseren Lebenssphären wahren.

Nichtstun ist wertvoll.

Wenn er sich zum Mittagsschlaf zurückzog, hängte der französische Dichter Saint-Pol-Roux an seine Tür das Schild: »Poet bei der Arbeit«. Denn er wusste: Müßiggang ist aller Ideen Anfang. Wirklich schöpferische Einfälle kommen einem am ehesten dann, wenn man sie nicht zu erzwingen versucht. Das gilt beileibe nicht nur für die Poesie. Die Erleuchtung zu seiner Gravitationstheorie kam Isaac Newton, als er im heimischen Obstgarten versonnen einen Apfel betrachtete, (dass ihm dieser auf den Kopf fiel, ist allerdings eine Legende).1

 

1Zeit Online

Den lesenswerten und hervorragend recherchierten Artikel von Ulrich Schnabel – ZEIT ONLINE – finden Sie unter:

Die-Wiederentdeckung-des-Nichtstuns

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